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Madrid – Sangria und Surrealismus

Madrid – Hochsommer im Mai

Wenn Ihr schon mal in Madrid wart, wisst Ihr sicher, dass auf der Plaza del Sol nicht nur die tolle Uhr steht, die den Spaniern am Silvesterabend den Rhythmus fürs Traubenessen angibt, sondern auch eine Statue von einem Bären. Er reckt sich an etwas, das ein großer Brokkoli oder mit etwas Fantasie auch ein Baum sein könnte. Obwohl die Statue noch nicht alt ist, versteckt sich hinter ihr eine alte Geschichte.

Die Plaza del Sol ist nämlich der dritthöchste Punkt in Madrid. Für den höchsten Punkt scheint sich niemand zu interessieren. Auf dem zweithöchsten Punkt ist seinerzeit Luzifer höchstpersönlich gelandet, als er vom Himmel fiel und hier am dritthöchsten Punkt der Stadt haben sich irgendwann die Katholiken niedergelassen, weil sie von hier aus so schön die sieben Sterne des Sternbildes des großen Wagens erkennen konnten. Die Katholiken hatten vielleicht zu viel Wein getrunken, denn sie erkannten in den sieben Sternen keinen Wagen, sondern eindeutig einen Bären. Und nicht nur das. Es war eindeutig eine Bärin. Und basierend auf dieser Geschichte hat vor ein paar Jahren jemand diese Statue hier aufgestellt.

Eine weitere interessante Geschichte verbirgt sich hinter der Frage, warum das Nationalgericht der Madrilenen ein Brötchen mit frittierten Tintenfischringen ist. Kein Meer weit und breit. Madrid ist in Spanien mit der schlechteste Ort, um Tintenfische zu finden. Das kam so: Es gab Kriege und Testamente und königliche Intrigen und so kam es, dass irgendwann Alfonso im zarten Alter von 17 Jahren König von Kastilien wurde. Er musste sein geliebtes Frankreich verlassen, wo er in der Normandie und in Marseille gewohnt hatte. Er vermisste das Meer und war der königlichen Meinung, dass Tintenfischringe das beste Nahrungsmittel der Welt sind. Zunächst einmal legte man ihm einen großen See an. Das größere Problem war der Tintenfisch. Ihn aus Valencia heran zu karren war die schnellste Lösung, dauerte mangels schneller Verkehrsmittel aber auch drei bis vier Tage. Mangels Kühlschrank begannen die Tintenfische schon ein wenig zu riechen, wenn sie sich Madrid näherten. Also blieb nur die Möglichkeit, sie schnell mit etwas Butter und Mehl zu panieren und sie dann zu frittieren, denn Frittieren sorgt dafür, dass alles gleich viel besser schmeckt. Dazu noch ein französisch anmutendes Weißbrot und schon war das neue Nationalgericht der Madrilenen geboren. Sie lieben es bis heute.

Das zweite Nationalgericht der Hauptstadt ist Cocido Madrilleno. Dabei handelt es sich um eine Mahlzeit, bei der Schinken, Steak, Würste, Fisch, Kichererbsen und Kartoffeln in einem großen Topf für 12 Stunden gekocht werden und dann einfach so als Ensemble, sozusagen als heißes Stillleben serviert werden. Eine Portion ist immer so ausgelegt, dass sie mindestens drei Personen satt machen kann. Erst seit der Pandemie gilt es nicht mehr als verpönt, sich die Riesenportion zu teilen.

Die Plaza Mayor ist hübsch. Ein wenig erschreckend ist der Gedanke, dass hier erst 1974 die letzte Exekution stattgefunden hat. Heute gibt es glücklicherweise nur noch Restaurants und ab und zu Konzerte. Schön sind auch die Illustrationen der Straßennamen, die überall hängen, seit Carlos III. den Analphabeten etwas Gutes tun wollte. Damals waren das noch fast alle Menschen in Madrid. Seither ist in der Ellenbogenstraße ein Ellenbogen auf dem Straßenschild gemalt. Leider ist die Calle Punonrostro, die Straße der Faust im Gesicht, nicht so anschaulich illustriert.

Die letzte schöne Geschichte, die ich aus Madrid mitgebracht habe hat etwas mit Philipp III. zu tun. Er hatte ein ähnliches Problem wie Alfonso. Er kam aus Frankreich, wo er im wunderschönen Palast von Versailles gewohnt hatte. Als er in Madrid den damaligen Palast sah, ist er beinahe wieder abgereist und war ziemlich sauer. Er stank. Er war klein und hässlich wie ein Kuhstall. Das genaue Gegenteil von Versailles. Also zündete er den Palast an. Das blöde Ding war aus massivem Stein und er brauchte fünf Versuche, bis endlich ein „Unfall“ passierte und der Palast abbrannte. Das Feuer loderte 40 Stunden lang und endlich bekam Philipp seinen Palast, der bis heute in Madrid steht und sich durchaus mit Versailles messen kann.

In Madrid war es an diesem Wochenende Mitte Mai übrigens wunderbar sommerlich warm. Noch am Abend waren es 30 Grad. Alle waren draußen und tranken Unmengen von Sangria. Sonntags habe ich mir trotz der wunderschönen Sommerhitze die grandiose Gemälde von Picasso, Miro und meinem Liebling Dali angeschaut im Museo Reina Sofia, wo sonntags um die Mittagszeit der Eintritt frei ist. Einige der Kunstwerke sind wirklich einmalig und ich könnte stundenlang vor einem dieser surrealistischen Gemälde von Dali stehen. Madrid, ich komme gerne mal wieder, wenn es bei dir im Mai schon Sommer ist! Ich mag zwar keine Tintendfische und auch keine 12 Stunden lang gekochten Würste und ganz ehrlich gesagt auch keine Tapas. Aber glücklicherweise hast du hervorragende äthiopische und thailändische Küche!

Eure Beatrice!

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