Phnom Penh – Bou Meng ist noch da
Kaum eine Stadt in Asien hat so gegensätzliche Hauptattraktionen wie Phnom Penh in Kambodscha. Die Hauptstadt des grünen flachen Landes mit seinen 17 Millionen Bewohnern besteht aus einer Altstadt am Fluss, vielen modernen Hochhäusern, die nicht älter als zehn Jahre sind, aus dem prachtvollen Königspalast, der um die 200 Jahre alt ist und den Monumenten, die einem der grausamsten Regime des 20. Jahrhunderts gedenken: den Khmer Rouge.


Ich wollte beides sehen: die Pracht des Palastes mit seinen goldgelben Dächern und den vielen Tempeln, aber auch die Killing Fields und das Tuol Sleng Gefängnis.
Vom Königspalast sind nur bestimmte Bereiche zugänglich, denn die königliche Familie lebt in den Gebäuden und schätzt es offenbar nicht, wenn die Touristen ihnen beim Frühstück zusehen. Die Hallen, Tempel, Stupas und Laubengänge, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind, überbieten sich gegenseitig in Prunk und Kunstfertigkeit. In der Thronhalle befinden sich alte Deckenfresken, handgemalt und detailreich, sowie der Thron, der nur bei einer Krönungsfeier benutzt wird. Im Silberpavillon erwarten den Besucher hunderte von Buddhastatuen in verschiedenen Farben, Formen und Größen. Den Namen hat der Silberpavillon von seinem ungewöhnlichen Boden, dessen Fliesen vollständig aus Silber bestehen.


Drumherum stehen zahlreiche Stupas, welche die Asche verschiedener vergangener Könige und Königinnen enthalten. In Kambodscha wird der nächste König übrigens von einem Komitee gewählt. Dieses Mal wurde der jüngste Sohn des abgedankten Königs zum neuen König gewählt, was auch der Empfehlung des scheidenden Herrschers entsprach. Aber der amtierende König hat zum Beispiel keine Kinder. Nicht mal eine Frau. Ihm wird also auf jeden Fall kein Sohn auf den Thron folgen. Kambodscha ist ohnehin keine wirkliche Monarchie mehr. Das Parlament bestimmt über die politischen Geschicke des Landes. Aber der König genießt weiterhin große Beliebtheit und Respekt in der Bevölkerung.
Nach einem Besuch im Nationalmuseum steht die grausame Seite von Phnom Penh auf dem Programm. Kambodscha hatte eines der brutalsten Regime im 20. Jahrhundert und zwar in der Zeit von 1975 bis 1979. Das ist überhaupt noch nicht lange her. Viele Menschen erinnern sich noch an die Zeit der Roten Khmer und an die Gräueltaten von Pol Pot und seinen Kollegen.


Der Weg nach Choeung Eck ist mittlerweile geteert und man gelangt vom Stadtzentrum in 20 Minuten zu den ehemaligen Killing Fields. Es sind nicht DIE Killing Fields, sondern nur das größte Killing Field von über 300 im Lande. 129 Massengräber wurden in Choeung Eck gefunden mit insgesamt wahrscheinlich um die 20.000 Leichen. Unvorstellbar. War so unvorstellbar, dass die buddhistischen Kambodschaner, denen die Totenruhe sehr wichtig ist, beschlossen haben, Ausgrabungen zu unternehmen, um der Welt zu zeigen, was hier vorgefallen ist. Sie haben eine Stupa gebaut, die sie mit Knochen und Schädeln gefüllt haben. Bis heute sind lange nicht alle Opfer identifiziert.
Auch das Tuol Sleng Foltergefängnis steht auf der Liste der wichtigen Sehenswürdigkeiten von Phnom Penh. In dieser einstigen Schule wurden die Gefangenen des Regimes so lange gefoltert, bis sie gestanden, mit der CIA zusammengearbeitet zu haben. Sie alle haben gestanden, obwohl die meisten von ihnen wahrscheinlich nicht einmal wussten, was die CIA überhaupt ist. Anschließend hat man sie zu den Killing Fields gebracht.
Ich habe viele Bücher über Kambodscha zur Zeit der Khmer Rouge gelesen, unter anderem das Buch von Bou Meng, einem von sieben Überlebenden dieses Gefängnisses. Er hat es mir vor vielen Jahren genau hier im Schulhof von Tuol Sleng verkauft. Und er sitzt noch immer da hinter seinem kleinen Tisch mit dem Buch, in dem er seine Geschichte aufgeschrieben hat. Er ist weit über 70 mittlerweile und seine Kinder helfen ihm. Aber er ist noch da. Das freut mich ungeheuerlich und ich erkenne den kleinen alten Mann sofort wieder.


Das schöne an Kambodscha ist, dass es heute so friedlich, so grün, so quirlig und so entspannt ist. Das Leben hat über den Tod gesiegt.
Wenn du also mal nach Phnom Penh kommst, schau die die Monumente und Mahnmale an. Aber vergiss nicht, auch das Schöne an der Stadt zu sehen. Zahlreiche Tempel, die Garküchen am Flussufer, die kleinen Suppenküchen am Morgen in den lebendigen Straßen, die Kunstschätze im Nationalmuseum und der Königspalast sind auf jeden Fall einen Besuch wert.
Eure Beatrice!